Jeden Tag pendelt Manuela zwei Stunden im Zug. Sie wohnt bei ihren Eltern und ihre Universität ist eine Stunde von Zuhause entfernt. Viele Freunde sind nach Köln, in die Stadt ihrer Universität, gezogen. Aber Manuela liebt das Bahnfahren und das Pendeln. Sie hat immer so viel Zeit. Manchmal hört sie einen Podcast und schaut aus dem Fenster. Manchmal strickt sie und hört Musik. Manchmal lernt sie. Aber meistens liest sie ein Buch.
Gut, Manuela will ehrlich sein. Sie mag das Pendeln auch wegen anderer Sachen. Oder Menschen. Jeden Tag steigt ein Mann in die Bahn. Zwei Haltestellen nach ihr. Jeden Tag schauen sie sich an. Er lächelt ihr zu und sie schaut weg, weil sie schüchtern ist. Dann setzt er sich auf einen Platz und liest so wie Manuela. Heimlich beobachtet er sie und sie ihn.
Auch heute steigt der Mann wieder ein. Er schaut nach links und rechts, dann sieht er Manuela und lächelt. Wie immer schaut sie weg. Dieses Mal setzt er sich aber nicht auf einen anderen Platz. Er steht neben ihr und fragt: „Darf ich mich zu dir setzen?“
Manuelas Herz schlägt laut. Sie kann nichts sagen, aber sie nimmt ihren Rucksack in die Hand und stellt ihn auf den Boden. Er setzt sich neben sie. Sie konzentriert sich auf ihr Buch. „Was liest du?“, fragt er nach ein paar Minuten. „Es heißt 1Q84“, sagt sie und der Mann nickt gleich. „Von Murakami. Es ist eines meiner Lieblingsbücher“, antwortet er. Manuela ist begeistert. „Ich glaube, es wird auch zu einem meiner Lieblingsbücher! Es ist richtig gut.“ Der Mann lächelt sie an und Manuela nimmt ihren ganzen Mut zusammen. „Wie heißt du?“, fragt sie ihn.
Seit diesem Tag pendelt Manuela noch lieber.